Rollenspezifisches Kompetenzmodell für Wissenschaftliche Mitarbeiter*innen

Autorinnen:

Dr. Nadine Thomas

(beratungsbüro thomas)

Kathrin Schmidt

(HDA, Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau)

Ziel des Modells | „Warum?“

Der „klassische“ Arbeitsalltag von Wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen umfasst meist vielfältige Tätigkeitsfelder (z.B. Forschung, Lehre, Gremienarbeit, Selbstverwaltung) und damit ganz unterschiedliche Aufgaben. Die Aufgabenbereiche sind dabei häufig durch unterschiedlichste Anforderungen gekennzeichnet und bedürfen entsprechend eine Vielzahl von Fähigkeiten und Stärken.

Die erfolgreiche Forscherin, beispielsweise, braucht andere Kompetenzen als die Dozentin. Und für das zielführende Managen von Projekten oder dem effektiven Mitwirken in Gremien muss sich der/die Wissenschaftliche Mitarbeiter*in möglicherweise noch einmal von einer ganzen anderen Seite zeigen.

Wissenschaftliche Mitarbeiter*innen agieren entsprechend im Arbeitsalltag in ganz unterschiedlichen Rollen, für die unterschiedliche Kompetenzen hilfreich sein können und die mit unterschiedlichen inneren Haltungen, Denk- und Verhaltensweisen sowie Erwartungen verknüpft sind.

Hilfreich ist es, wenn wir uns der beruflichen Rollen bewusst sind und die eigenen Rollenals „Inneres Team1erfolgreich zusammenarbeiten. Hierbei können Rollenklarheit und ein gutes Rollenverständnis den Arbeitsalltag produktiver gestalten und etwaigen Stress reduzieren.

Ohne dass wir merken wie, können einzelne Rollen jedoch auch in Konflikt miteinander geraten; nicht selten stehen sich eigene „innere Teammitglieder“ gegenseitig im Weg oder blockieren sie sich förmlich (z.B. die Dozentin und die Doktorandin) – oder es ergreift immer wieder eine Rolle den Einsatz, die für die vorliegenden Aufgaben nicht förderlich ist (z.B. die Forscherin). Meistens ist man sich der „Team-Konflikte“ gar nicht bewusst, kennt jedoch die negativen Begleiterscheinungen (z.B. Unzufriedenheit, Motivationsmangel, Zeitdruck).

Das rollenspezifische Kompetenzmodell2 für Wissenschaftliche Mitarbeiter*innen wurde mit dem Ziel entwickelt, mögliche unterschiedliche Rollen und dazugehörige Kompetenzen zu elaborieren und zu explizieren, die die Funktion der Wissenschaftlichen Mitarbeiter*in ausmachen und für die Ausübung des Jobs hilfreich sein können.

Das vorliegende Modell soll als Reflexionsgrundlage dienen. Es soll dabei helfen, sich der eigenen beruflichen Rollen bewusst(er) zu werden, das eigene Innere Team zu stärken, ungünstige Muster zu erkennen, diese aufzubrechen oder die eigenen Potentiale besser nutzbar machen zu können.

Das Modell kann dabei unterstützen (a) den Status quo zu erkennen, ihn zu sichern und Stabilität zu fördern, (b) es kann Orientierung in einem unbeständigen Umfeld bieten – oder (c) systematisch Veränderungsprozesse anstoßen und begleiten.

Modellentwicklung | „Wie?“

Die Modellentwicklung erfolgte auf der Grundlage empirischer Daten einer Anforderungsanalyse3, die im Rahmen zweier Workshops an der Rheinland-Pfälzisch Technischen Universität Kaiserslautern-Landau durchgeführt wurde (Konzeption, Leitung und Umsetzung: Dr. Nadine Thomas; Veranstalterin: HDA).

Als Expert*innen fungierten zwölf Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen, die in den Workshops ihr Wissen durch Anleitung systematisch aufarbeiteten und zusammentrugen. Ihnen sei an dieser Stelle ein herzlicher Dank für die Mitwirkung ausgesprochen!

Gemeinsam wurden in den Workshops unterschiedliche Tätigkeitsfelder und Aufgabenbereiche ermittelt und relevante psychologische Kompetenzen identifiziert. Im Anschluss erfolgte, durch das Clustern der Kompetenzen (via bottom-up- und top-down-Prozesse), die Herausarbeitung konkreter „Rollen“.

Die abschließende Datenzusammenführung beider Workshops, die Präzisierung und Verschriftlichung des Modells erfolgte durch Dr. Nadine Thomas – mit dem Anspruch, das Datenmaterial dabei nicht zu verändern.

Das Modell | „Was?“

Unser Kompetenzmodell umfasst sieben Rollen (Forscherin, Lernende, Expertin, Dozentin, Netzwerkerin, Managerin, Performerin). Es beinhaltet die Idee, dass ein/e Wissenschaftliche/r Mitarbeiter*in diese Rollen zu seinem/ihrem „inneren Team“ zählen können sollte, um seinen/ihren Berufsalltag und die damit einhergehenden unterschiedlichen Aufgaben erfolgreich zu meistern. Für jede Rolle werden in dem Modell ergänzend psychologische Kompetenzen genannt, die förderlich sein können, um in ihr zielführend zu agieren.

Die einzelnen Rollen sind nicht voneinander unabhängig und die aufgeführten psychologischen Kompetenzen nicht alsvollständig zu betrachten, sie können ergänzt werden.

Die sieben Rollen im Kompetenzmodell werden in Abbildung 1 noch einmal aufgeführt und im Folgenden näher skizziert sowie die zugehörigen psychologischen Kompetenzen aufgeführt.

Abbildung 1. Rollenspezifisches Kompetenzmodell für Wissenschaftliche Mitarbeiter*innen

Die Forscherin.

Erforschen, Entdecken, Erschaffen, Erklären, Wissen erwerben

Die Forscherin widmet sich intensiv und beharrlich einem Forschungsthema ihres Fachgebiets – sie versucht den Gegenstandsbereich zu beschreiben, zu verstehen und zu erklären und sucht nach Lösungen für offene Fragen.

Hilfreiche psychologische Kompetenzen: Die Forscherin ist neugierig, interessiert, hat Kenntnis über den aktuellen Forschungsstand sowie relevante Forschungsmethoden, sie ist kreativ, zeigt hohe Bereitschaft zu innovativem Denken, zudem bringt sie Durchhaltevermögen und eine hohe Frustrationstoleranz mit.

Die Expertin.

Analysieren, Beurteilen, Informieren, Beraten, Wissen einsetzen

Die Expertin hat Interesse daran das Fachwissen (der Forscherin) in der Praxis anzuwenden und in relevanten Situationen anderen Personen (z.B. Laien) bereitzustellen. Sie wird häufig um Rat gefragt, kennt dabei jedoch ihre Grenzen.

Hilfreiche psychologische Kompetenzen: Die Rolle der Expertin besitzt Fachwissen und Methoden-kompetenz, sie zeigt die Fähigkeit zum analytischen Denken sowie ein kritisches Reflexionsvermögen.

Die Dozentin.

Lehren, Unterrichten, Bilden, Gestalten, Wissen vermitteln

Die Dozentin bereitet ihr Wissen über das Fachgebiet didaktisch auf, vermittelt es im Rahmen von Lehrveranstaltungen an Dritte – und prüft den Wissenszuwachs.

Hilfreiche psychologische Kompetenzen: Die Dozentin kennzeichnet sich durch Einfühlungsvermögen, Fachwissen, didaktische Kompetenz, Ausdrucksfähigkeit, Präsentationsfähigkeit, Begeisterungsfähigkeit, Kritikfähigkeit und ebenfalls durch Frustrationstoleranz.

Die Netzwerkerin.

Vernetzen, im Kontakt sein, Hilfe anbieten, Wissen austauschen

Die Netzwerkerin steht mit unterschiedlichen Personen oder Personengruppen im Kontakt. Sie ist mit diesen Kontakten bezüglich unterschiedlicher Themen im Austausch, pflegt diese Kontakte, erhält von ihnen Hilfe und bietet im Gegenzug ebenso Unterstützung an.

Hilfreiche psychologische Kompetenzen: Die Rolle der Netzwerkerin ist kontaktfreudig und bringt Offenheit sowie Kommunikationsfähigkeit mit.

Die Managerin.

Ziele setzen, Planen, Organisieren, Kontrollieren, (Selbst)Management

Die Managerin koordiniert das Tagegeschäft und unterstützt vielfach die anderen Rollen (innere Teammitglieder). Sie setzt Ziele, legt Prioritäten fest, plant und organisiert die Umsetzung von Vorhaben, hat Deadlines im Blick und kontrolliert am Ende die Ergebnisse. Gegebenenfalls motiviert sie (innere und äußere Teammitglieder) zur Zielerreichung und steht gegebenenfalls mit dem Verwaltungsapparat im Kontakt.

Hilfreiche psychologische Kompetenzen: Die Managerin zeichnet sich durch Organisations-fähigkeit, strukturiertes Arbeiten, strategisches Denken, Entscheidungsstärke, Selbstdisziplin und Durchsetzungsfähigkeit aus. Sie kann Grenzen setzen und bringt, wie die Netzwerkerin, eine hohe Kommunikationsfähigkeit mit.

Die Performerin.

Darstellen, Darbieten, Präsentieren,  (selbstbezogene) Öffentlichkeitsarbeit

Die Performerin „füttert“, gestaltet und pflegt das Bild der Außenwelt (Fremdbild) mit Inhalten und Expertise. Sie nimmt sich Raum und zeigt in den unterschiedlichsten Kontexten, was sie weiß und was sie kann; sie macht nachhaltig auf sich und ihre Expertise aufmerksam. Dabei arbeitet sie eng mit ihren anderen Rollen (inneren Teammitgliedern) zusammen.

Hilfreiche psychologische Kompetenzen: Die Performerin ist extrovertiert, selbstsicher, durchsetzungsfähig und in der Lage in relevanten Situationen Selbstmarketing zu betreiben.

Die Lernende.

Wachsen, Weiterkommen, Anpassen, (Selbst)Optimierung

Im universitären System gibt es, über das eigene Fachgebiet hinaus, viel zu lernen (insbesondere für den wissenschaftlichen Nachwuchs). Die Lernende hinterfragt kontinuierlich den Status quo des inneren Teams und hat Interesse daran es fortzubilden. Die Lernende arbeitet dabei mit allen anderen Rollen zusammen und sorgt dafür, dass die Teammitglieder unterschiedliche Erfahrungen sammeln und sich neues Wissen aneignen können.

Hilfreiche psychologische Kompetenzen: Die Lernende ist neugierig und interessiert (wie die Forscherin auch), sie bringt Reisebereitschaft, Reflexionsfähigkeit und Kritikfähigkeit mit, zudem zeigt sie Kreativität und ein hohes Engagement.

Anwendungsmöglichkeiten | „Wozu?“

Das rollenspezifische Kompetenzmodell für Wissenschaftliche Mitarbeiter*innen wurde als Reflexionsgrundlage und Coaching-Tool entwickelt.

Mit dem Modell lassen sich (a) eigene Stärken erkennen oder auch Entwicklungsbedarf bzw. Lernziele ausmachen.

Das Modell kann aber auch (b) als Orientierungs- und Entscheidungshilfe für die weitere Karriere und Laufbahn genutzt werden.

Zudem lassen sich (c) „Transfermöglichkeiten“ bewusstmachen. Dies kann beispielsweise dann notwendig werden, wenn bei Mitarbeiter*innen der Wunsch besteht, den Universitätskontext zu verlassen (Bewerbungsverfahren).

Über die Reflektionshilfe hinaus kann das Modell (d) im Rahmen von (Selbst)Coaching-Prozessen hilfreich und nachhaltig Einsatz finden. Die Arbeit mit diesem Modell bietet sich immer dann an, wenn bei Mitarbeiter*innen ungünstige Dysbalancen im inneren Teambzw. „Team-Konflikte“ bestehen.

Anmerkungen

Das Modell fungiert ausschließlich zur Beschreibung potentieller, grundständiger Funktionen im Joballtag von Wissenschaftlichen Mitarbeiter *innen. Hierbei wird kein Unterschied zwischen Fachrichtungen, Altersstufen oder dem Geschlecht gemacht.

Das Modell erhebt keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit oder Vollständigkeit. Es soll vielmehr einen Ansatzpunkt zur (eigenen) Reflektion bieten.

Inwieweit im konkreten Fall alle Rollen für den Job und damit für das persönliche „Innere Team“ relevant und in ihrerBedeutung zu gewichten sind, hängt vom jeweiligen Kontext ab.

Zudem stehen ausschließlich potentielle berufliche Rollen im Fokus – persönliche Aspekte und private Rollen (z.B. Antreiber oder die Perfektionistin) sind in das Modell nicht aufgenommen.

Das Modell kann jederzeit individualisiert, d.h. geändert und erweitert werden. So könnte es, beispielsweise während der Qualifikationsphase, um die zusätzliche Rolle der „Doktorandin“ ergänzt werden.

Literatur

1Schulz von Thun, F. (1998). Miteinander reden 3: Das "Innere Team" und situationsgerechte Kommunikation. Kommunikation, Person, Situation. Rowohlt: Reinbek.

2 Vgl. Sonntag, K. & Schmidt-Rathjens, C. (2004). Kompetenzmodelle - Erfolgsfaktoren im HR-Management? Personalführung, 10, 18–26.

3Vgl. Blickle, G. (2014). Anforderungsanalyse. In F. W. Nerdinger, G. Blickle, & N. Schaper (Hrsg.), Arbeits- und Organisationspsychologie (pp. 207–221). Berlin Heidelberg: Springer-Verlag.

 

Stand: Januar 2018

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